Podcast Meyer:Wermuth
4 Jahre Krisen – Rückblick auf die Legislatur
Podcast „Meyer:Wermuth“ vom 24.07 2023 vgl.
https://www.podcast.de/episode/611017880/vier-jahre-krisen-rueckblick-auf-die-legislatur
Nicht offizielle Mitschrift des Podcasts durch Sandro Troxler, SP Nottwil vom 16.08.2023
Covid, Ukraine-Krieg, CS-Debakel oder Klimakatastrophe:
- Wie sieht die SP Spitze die vergangenen vier Jahre?
- Was wurde aus SP-Sicht erreicht?
- Was wurde nicht erreicht?
Rückblende
Nach nur einer Session im Dezember 2019 musste die Session im März 2020 aufgrund der Covid-Pandemie abgebrochen werden. Die Sessionen wurden anschliessend in der Bern Expo abgehalten, sehr zur Freude einiger Parlamentarier:innen, die nun über genügend Platz zum Auslegen all ihrer Dokumente verfügten.
Kaum war die Covid-Pandemie vorbei und man erlag der Versuchung aufzuschnaufen, entfesselte Russland den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Mattea Meyer (kurz: Mattea), Co-Präsidentin der SP Schweiz, lobt im Podcast die Solidarität der Schweizer Bevölkerung während der Covid-Pandemie und des Ukraine Krieges. Cédric Wermuth (kurz: Cédric), Co-Präsident der SP Schweiz ergänzt: „im Gegensatz zu den Bürgerlichen.“
Mit dem Anstieg der Inflation und den Massnahmen der Nationalbanken geriet die Credit Suisse ins Straucheln. Cédric meint ironisch, dass nun die CS durch die UBS gerettet werden musste, die 15 Jahre zuvor von der CS gerettet wurde.
Die nächste Krise, die Klimakrise, wird uns nicht nur in dieser Legislatur beschäftigen.
Covid-Pandemie
Cédric spricht die Kreditprogramme an, die Ueli Maurer mit den Banken rasch auf die Beine gestellt hat. Diese Massnahmen wären ausserhalb der Covid-Pandemie mit einem Verweis auf Planwirtschaft undenkbar gewesen.
Mattea schildert, wie versucht worden ist, Politik in dieser schwierigen und unbekannten Situation zu betreiben. Sie nennt dazu drei Säulen für das Handeln:
- Grundüberzeugungen
- Austausch mit Expert:innen
- Gespräch mit Direktbetroffenen
Mattea sagt, der Kontakt mit den Direktbetroffenen habe aufgezeigt, dass sich viele von den Bürgerlichen im Stich gelassen fühlten.
Dazu ein konkretes Beispiel:
Im August 2020 fand eine Kommissionssitzung statt, an der Mattea einen Antrag zur Weiterführung der Wirtschaftshilfen einreichte, insbesondere für Wirtschaftshilfen der Selbständigerwerbenden. Der Bundesrat wollte diese abschaffen. Auch die Mehrheit der Kommission war gegen eine Weiterführung. Anschliessend übten die Betroffenen Druck aus und schrieben Briefe und Mails an die Bürgerlichen Politiker oder suchten das Gespräch mit diesen. Der Antrag zur Weiterführung der Wirtschaftshilfen wurde mit rund 180 von 200 Stimmen im Nationalrat angenommen.
In der Kommission für Wirtschaft und Abgaben, der Cédric angehört, waren die Geschäftsmieten, die Entschädigung bei Kurzarbeit, Lohnersatzleistungen oder Erhöhung der Kurzarbeitsentschädigung bei Existenzgefährdung Themen, für die hart gekämpft werden musste und teilweise im Beispiel der Geschäftsmieten vergeblich gekämpft worden ist.
Mattea kritisiert dahingehend den Bundesrat, dass die Leute nur dann bereit seien die Massnahmen mitzutragen, solange die wirtschaftliche Unterstützung sichergestellt ist. Der Bundesrat soll dies verkannt haben.
Hierfür hat es die SP gebraucht.
Ukraine Krieg
Für die SP war rasch klar, dass die Schweiz die Sanktionen gegen Russland mittragen muss. Der Bundesrat kam deutlich später zu dieser Einsicht. Aber auch Unterstützungsleistungen finanzieller Art und das Asylrecht für die Ukraine-Flüchtlinge waren für die SP selbstverständlich, nicht aber für Bundesrat und Parlament.
Mattea findet es beschämend, dass keine Woche verging bis die Debatte über neue Kampfjets und eine Erhöhung des Wehretats lanciert worden ist. Cédric fügt hinzu, dass für den Wehretat die zusätzlichen Gelder keine Rolle spielten. Die humanitäre Hilfe für die Ukraine wurde nicht ausgebaut und sie musste über Kompensationen in der Entwicklungshilfe finanziert werden. Zusammengefasst: für den Wehretat konnte das Parlament nicht genug Geld ausgeben, während für die humanitäre Hilfe kein Geld vorhanden war und ist.
Mattea kritisiert auch unsere Abhängigkeit von Öl und Gas und dadurch auch die Abhängigkeit vom Ausland. So wurde versucht, den Handel mit russischen fossilen Energieträgern in der Schweiz zu unterbinden. Diese Forderung fand keine Mehrheit. Damit finanziert die Schweiz weiterhin den russischen Angriffskrieg mit. Damit nicht genug, es wird die heuchlerische Haltung von FDP, Mitte von Cédric kritisiert. Auch die GLP kriegt vereinzelten Tadel ab. Die genannten Parteien veröffentlichen Solidaritätsbekundungen und gleichzeitig wird alles abgelehnt, was zur Unterbindung der Dreckgeschäfte in der Schweiz führen würde, aber nicht Teil der EU-Sanktionen ist.
Cédric sieht trotz diesen negativen Punkten auch zwei positive. Der Volkswille zur Integration von fast 70’000 Ukrainer:innen hat einigermassen funktioniert. Die Erkenntnis, dass man den Leuten Freiheiten gewähren, Zugang zum Arbeitsmarkt anbieten und entsprechend Unterstützungsleistungen erbringen muss, hat sich doch ein stückweit durchgesetzt.
CS-Krise
Mit einem humoristischen Übergang wurde zur CS-Krise gewechselt mit der Aussage von Mattea, dass kein Geld für das Pflegpersonal oder die Ukraine vorhanden sei, aber sehr schnell Geld für die die Rettung der CS zur Verfügung gestellt werden konnte. Cédric fügt schmunzelnd hinzu: «Es ist ja auch eine Bank».
Swissair, UBS, die grossen Energiefirmen und nun die CS sind Schweizer Wirtschaftsdebakel der letzten 20 Jahren. Ausgerechnet die CS, die vor 15 Jahren die UBS retten musste, wird nun von der UBS gerettet. Damit fasst Cédric das Thema zusammen.
Klima Krise
Die Klimakrise wird am Rande erwähnt mit dem verlorenem CO2 Gesetz, der Energieunsicherheit im Herbst 2022 und dem gewonnenen Klimaschutzgesetz im Juni 2023. All dies hat gemäss Mattea zu einem vorher kaum vorstellbaren Ruck im Parlament zugunsten der erneuerbaren Energien geführt.
Welche Verbesserungen konnte die SP erreichen und wo ist man gescheitert?
Gleichstellung
Das SP Co-Präsidium ist der Ansicht, dass der Einfluss des Frauen- und Feministischen Streiks zu einer positiven Veränderung innerhalb der Gesellschaft führt. Mit der Annahme des Volkes der ‚Ehe für alle‘ im Bereich der Homosexualität, aber auch im Bereich der Familienbetreuung mit dem angenommenen Vaterschaftsurlaub oder mit dem revidierten und modernisierten Sexualstrafrecht konnten Fortschritte erzielt werden.
Als gescheitert bei der Gleichstellung betrachtet das SP-Co-Präsidium die nicht Durchsetzung eines ausgebauten Vaterschaftsurlaubes, angemessene Renten für die Frauen oder dass sich die Bürgerliche Frauenbewegung nicht für die Migros-Kassen einsetzt gemäss Cédric.
Kaufkraft
Die erfolgreichen Abwehrkämpfe bei Steuervorlagen hebt das Co-Präsidium als Erfolg hervor. Vor 15 Jahren konnten Economie Suisse und die Bürgerlichen bei Steuersenkungen durchmarschieren. Jetzt hat die SP gleich drei grosse Vorlagen, die Stempelsteuer, die Verrechnungssteuer und die Kinderabzüge gewonnen. Verbesserungen wurden im Grossen und Ganzen keine erzielt. Cédric hofft, dass noch eine Verbesserung bei der Prämienverbilligung erzielt werden könnte. Die Prämienverbilligung ist aber noch in der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit, der Mattea angehört, hängig.
Mattea ergänzt, dass durchaus Verbesserungen im Bereich der Überbrückungsleistungen für über sechzigjährige Arbeitslose erzielt werden konnten. Es ist allerdings nicht gelungen, diese Leistungen einem grösseren Kreis zugänglich zu machen. Die Überbrückungsleistungen sind besser als der Tarif für die Sozialhilfe. Sie sind für die Betroffenen eine klare Verbesserung. Bei den „grossen“ Vorlagen wie Prämienreduktion, Verbesserung der AHV oder bezahlbare Mieten konnten keine Verbesserungen erzielt werden.
Die Immobilien-Lobby versucht bei der laufenden Revision das Mietrecht weiter auszuhöhlen. Der angespannte Wohnungsmarkt wird die Situation mit Blick auf bezahlbaren Mieten noch weiter verschärfen, hält Cédric fest.
Klimaschutz
Ein Dämpfer war aus Sicht des SP Co-Präsidiums im Juni 2021 das Volks-Nein zum CO2 Gesetz, trotz Überschwemmungen, Hitzesommer oder Dürren. Stattdessen hält es positiv fest, dass die Folgen des Ukraine Krieges und der Ausfall der französischen Atomkraftwerke dazu geführt hat, dass ein richtiger Ruck durch das Parlament zugunsten der erneuerbaren Energien gegangen ist. Das konnte zu Beginn der Legislatur so nicht erwarten werden.
Pflegeinitiative
Cédric vermutet, dass die erste angenommene gewerkschaftliche Initiative, die Pflegeinitiative, auch ohne die Covid-Pandemie angenommen worden wäre. Aufgrund eines massiven Mangels an guten Arbeitsbedingungen und Pflegepersonals und dass Familien immer mehr Schwierigkeiten haben für eine Lösung von betreuungsbedürftigen älteren Angehörigen.
Transparenzinitiative
Als letztes wird positiv hervorgehoben, dass die Parteien ihre Finanzierung offenlegen müssen. Die Transparenz bei der Finanzierung der Parlamentarier:innen fehlt jedoch weiterhin.
Das Wahlprogramm der SP Schweiz orientiert sich weitgehend an den genannten Krisen und wofür die SP selbst steht.
Die SP ergreift Partei für:
- die Stärkung der Kaufkraft
- die Gleichstellung der Menschen
- den Klimaschutz